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Zwischen Basisdemokratie und Diktatur

Über neue Führungskulturen wird derzeit in vielen Gruppen gesprochen. Dabei sind Einige nach vielen partizipativen Experimenten inzwischen wieder an einem Punkt, wo sie sich einen guten, lieben Diktator wünschen. Aber den gibt es genau so wenig, wie die achtsame schlaue Gruppe, die Basisdemokratisch effizient und richtig entscheidet.

Was wir brauchen, damit Gemeinschaften sich selbst verwalten können, ist irgendwas zwischendrin. Was das ist, wird gerade an vielen Orten dezentral entwickelt.

Workshopablauf

Für lose Gruppen, Projekte und Organisationen bieten wir Workshops an, um die vielfalt der Selbstführung zu erfahren. Hier ist ein beispielhafter Ablauf:

Hilfreiche Unterstützung in diesem Workshop ist diese Präsentation.

Gruppengröße: Max. 30 Personen. (Dann Gruppenarbeit in Kleingruppen mit max. 10 Personen). Je mehr Teamarbeitserfahrung die TN haben, desto besser.

Organisationsmethoden zur Selbstführung

Im folgenden werden Selbstverwaltungsmethoden dargestellt, die von Bildungsagent*innen in unterschiedlich intensiver Form bereits getestet wurden. Dazu ist anzumerken, dass keiner von uns Erfahrungen in einer Gruppe hat, wo eines der Prinzipien vollständig angewandt wurde. Bisher haben wir nur unterschiedlich stark ausgeprägte Kompromisse erlebt und können daraus unsere Erfahrungen schildern.

Führung will aber überall neu gedacht werden. Weil alle Menschen gleich an Würde, gleich an Wert und jedem seine Bedürfnisse gleich wichtig sind, verbieten sich manche Gruppen die Diskussion über Führung, weil ja alle gleich sind. Das ist richtig, aber wir sind auch unterschiedlich. Nicht nur vom Aussehen, sondern auch von unseren Fähigkeiten und Talenten. Wenn diese Unterschiede nicht konstruktiv/ frei in die Gemeinschaft eingebracht werden können, sondern unfähige Menschen das Ruder lenken, entsteht Frust. Führung ist daher eine dienende Funktion, die entweder dadurch entsteht, weil die Gruppe jemanden die Verantwortung gibt, oder weil jemand aus Liebe zur Sache und zu der Gruppe, Verantwortung für etwas übernimmt. Die daraus entstehenden Hierarchien unterscheiden wir ganz klar in Privilegienhierarchien (definiert durch Eigentum, Regeln und künstliche Grenzen) die wir ablehnen, da sie auf Intransparenz und festen Rollen basieren und in Verwirklingshierarchien, die laufend unweigerlich entstehen, weil eine Person sich tiefer als andere mit einem Kontext beschäftigt hat. Verwirklichungshierarchien sind also notwendig, lassen sich aber auch schnell dekonstruieren, wenn eine neue Person mit ähnlichen Fähigkeiten kommt, und alle Prozesse transparent sind.

Dieses Spannungsfeld der Gleichheit aller Gruppenmitgliedern und der Einzigartigkeit der Fähigkeiten jedes Einzelnen muss stehts reflektiert werden, um sowohl Gleichheit als auch Fähigkeiten wertzuschätzen.

Für jede Gruppe ist ein anderer Kompromiss aus diesen drei Idealformen von Anarchie, Basisdemokratie und Hierarchie sinnvoll.

Basisdemokratie und Konsens

Das Prinzip ist einfach: Alle können bei allem mitbestimmen, und zwar im Konsens. Das heißt selbst, wenn sich 90% einig sind, kann eine Person durch ein Veto die Abstimmung aufhalten. Bei manchen Gruppen muss jeder anwesende abstimmen und Enthaltungen werden ungern gesehen, bei anderen Gruppen wird explizit darauf hingewiesen, dass niemand abstimmen muss und es nur die tun sollten, die von betroffen sind, sich auskennen oder denen es ein Herzensanliegen ist. Die Gruppe kann sich auch basisdemokratisch auf ein Mehrheitsabstimmungssystem einigen, Entscheidungen an Einzelpersonen oder AGs delegieren oder alternative Konsensverfahren wie „Systemisches Konsensieren“ einsetzen. In der Praxis dauert die Entscheidung über das Abstimmverfahren aber meist genauso lange, wie die Entscheidung selbst.

Vorteile: keiner kann übergangen werden.

Nachteile: Sehr träge und demotivierende Prozesse, abhängig von den guten Rednern

Fazit: eine gute Basis aber nur für den Ernstfall wenn sich alle misstrauen.

Es macht Sinn, sich als selbstverwaltete Gruppe, die Konsensentscheidung als letztes Entscheidungssystem auf zu erlegen. Aber solange man sich vertraut, gibt es eigentlich keinen Grund, sich so ein langwieriges und unflexibles System auf zu erlegen.

Da jeder ein Veto gegen Vorschläge hat, ermüden oftmals Ideengeber*innen recht schnell. Und da alle Entscheidungen vom „Plenum“ entschieden wurden, fördert dieses Modell tendenziell nicht die Mitverantwortung des einzelnen am Erfolg.

Soziokratie

Etwas ausgeklügelter und effizienter ist das System der Soziokratie, wo nicht mehr die gesamte Gemeinschaft im Konsens entscheiden muss, sondern für jeden Themenbereich ein Kreis installiert wird, wo alle Kreismitglieder im Konsent entscheiden. Beim Konsent ist nicht die Frage, was alle am besten finden, sondern wo durch Argumente eine durchführbare Lösung gesucht wird und ob jemand mit der vorgeschlagenen Idee ein ernsthaftes Problem hat.

Die Soziokratie will ohne Abstimmungen auskommen, es sollen Argumente zählen und nicht Köpfe. Jedes Kreismitglied kann durch einen schwerwiegenden Einwand die Entscheidungsfindung verlangsamen. Dabei entscheidet jeder ganz individuell, ob es sich um einen „schwerwiegenden“ Einwand handelt im Hinblick auf das gemeinsame Ziel. Allerdings gehört zu dem Einwand auch immer ein Argument, was hinter dem schwerwiegenden Einwand steckt. Mit Hilfe dieses Argumentes wird in der Gruppe eine neue Lösung gefunden, die dieses Argument auch berücksichtigt. Diese Entscheidungsfindung braucht etwas mehr Zeit und eine kompetente Moderation. Wenn bei Problemen, die eine terminierte Entscheidung erfordern, keine Lösung in einem Kreis gefunden werden kann, so wird das Thema zur Lösung an den nächsthöheren Kreis delegiert.

Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Soziokratie

Durch verschiedene Werkzeuge wie ein Logbuch für Entscheidungen und ein Fälligkeitsdatum, wo jede Entscheidung zu überprüfen ist, wird die Methode ergänzt.

Weitere Infos: soziokratie.at/ueber-soziokratie/grundlagen

Eine Weiterentwicklung davon ist die Soziokratie 3.0 sociocracy30.org

Vorteile: Argumente zählen

Nachteile: Die Struktur muss erst erlernt werden

Fazit: Viel schneller, wenn Kreise gut vernetzt sind

Durch die Kreis-Struktur wird die Verwaltung bereits viel schneller und flexibler. Es ist eine gute Quervernetzung zwischen den Kreisen notwendig, um nicht parallel voneinander zu entscheiden.

Beratende Entscheidungen wie in der Holokratie: Jedes Teammitglied darf alles selbst entscheiden, wenn es sich von den vorhanden Fachleuten hat beraten lassen und mit den Betroffenen gesprochen hat. (Aus dem Buch „Reinventing Organisation“ von Frederic Laloux)

Holokratie

Das System kommt au seinem IT-Unternehmen in den USA und ist daher sehr gut kompatibel mit wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen und effizienten Initiativen. Der Grundgedanke ist eine Dezentralisierung der Entscheidungsgewalt, in dem, wie bei der Soziokratie, Kreise überschaubarer Teams zusammen arbeiten aber unabhängig ihre Entscheidungen treffen können. Es ist eine Selbstverwaltung die nicht durch ein gemeinsames Entscheidungsgremium getragen wird, sondern dadurch, dass in vielen Teams die Individuen selbstständig ihre Entscheidungen treffen nachdem sich sich bei 1) Fachleuten und 2) Betroffenen informiert haben und damit die Gemeinschaft von vielen einzelnen Entscheidungen gestaltet wird. Da aber jeder selber seine Entscheidung trifft, ist auch jeder in der Verantwortung, sich zu informieren und Transparenz über seine Vorgänge zu schaffen.

Die Beobachtung dahinter ist, dass meist derjenige, der mit einer Aufgabe betraut ist, auch der beste Fachmann dazu ist. Folglich macht es kein Sinn, wenn ein Chef oder eine Gruppe, denen die Zeit für eine tiefe Einarbeitung fehlt, dem Fachmann die Entscheidung abnimmt.

Auch die Holokratie arbeitet mit Kreisen, allerdings mit dem Unterschied zur Soziokratie, dass im Kreis Neuigkeiten, Ideen und Spannungen geteilt werden und alle Entscheidungen in den Projekten oder von einem Projektmitarbeiter alleine getroffen werden.

Inhalte: Entscheiden solidarische den Fähigsten überlassen und Kompromisse suchen, konsent
Strukturen: Gleichberechtigte Vereinbarungen schaffen gerechte Machtverhältnisse, Delegieren von Verantwortung, Bilden von Kreisen
Visionen:  freie Werte und Ideen müssen regelmäßig eingebracht werden und die gemeinsame Ausrichtung sollte reflektiert werden.

Hier gibt es viel Arbeit am System. Die Gruppe entscheidet nur, welche Kreise es gibt und welchen Daseinszweck dieser Kreis hat. In den Kreisen werden die Projekte definiert, ebenfalls mit Daseinszweck. Mit dem Daseinszweck ist eine Zielrichtung bereits vorgegeben. Die genauen Unterziele, Meilensteine, Maßnahmen und Indikatoren werden von den Projekten selber festgelegt.

Spannungen bilden das besondere Bindeglied der Gemeinschaft. Überall wo Probleme, Konflikte, Ideen und ungenutzte Potentiale auftreten werden diese als Spannungen in den jeweiligen Kreis eingebracht und wenn es sich nicht direkt löst, wird eine Projektgruppe dafür gegründet.

Damit Spannungen schnell auftauchen und nicht erst wenn es richtig kracht, entsendet jeder Kreis Vertreter in die anderen Kreise und jeder Einzelne hat Rollen in verschiedenen Kreisen um Vernetzung und wissen weiter zu reichen.

Weiterführende Infos: holacracy.org

Vorteile: Sehr flexibles Modell für hohe Eigeninitiative

Nachteile: Langer Lernweg für Gruppen, Einzelne leise Menschen laufen Gefahr übergangen zu werden

Fazit: Wenn es Raum für Gemeinschaft gibt, steht der Effektivität auch nichts im Wege

Eine radikale Umstellung für Autokraten wie für  Basisdemokraten aber wenn das Team Raum für Emotionen schafft und Holokratie nicht perfekt sondern menschlich denkt, ist das die Form die alle am glücklichsten macht.

Ein vergleich von Soziokratie und Holokratie findet sich hier.

Aus den demokratischen Grundprinzipien „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ folgt eine Gemeinaschaftsgestaltung ähnlich der Holokratie.

Soziokratie, Holocracy im vergleich

Eine Einführung von Lino Zeddies

Dominanter Chef

Das klassische Modell, mit dem wir die letzten tausend Jahre gearbeitet haben. Anfangs noch in Familien und auf Staatenebene, in letzter Zeit nur noch in Konzernen und Unternehmen. Der Rückgang wird deutlich. Wer Glück hat, der hat einen verständnisvollen, risikofreudigen Chef, der auch Fehler zugeben kann. Das ist aber die Seltenheit. Eine Person an der Spitze ist schnell überfordert mit der Komplexität moderner aufgaben und besonders der einhergehenden sozialen Komponente.

Hierbei hat eine Person alle Macht, alles Wissen und alle Befugnisse. Transparenz wird meist verhindert, damit keine Machtkämpfe entstehen. Probleme sollten möglichst vorm Chef geheim bleiben und Fehler immer auf andere Menschen geschoben werden. Sich beim Chef ein zu schleimen und so tun als wäre man einer Meinung ist das oberste Gebot…

Vorteile: Kennt jeder, keine Diskussion, Mitarbeiter brauchen keinen Mut

Nachteile: Keine Selbstverwirklichung möglich und viel Frust

Fazit: Wer glücklich leben möchte, sollte das nicht machen

Immer weniger Menschen können sich vorstellen, für einen Menschen zu arbeiten und das eigene Denken und Entscheiden gegen ein Lohn zu tauschen. Dieses System macht Menschen unmündig, verhindert persönliches Wachstum und führt schlussendlich zu Frust.

Entscheidungsverfahren im Überblick

Eine Einführung von Lino Zeddies

Material

Ähnliche Bildungskoffer und Methoden

Quellen und weiterführende Links

Heilsam ist nur, wenn im Spiegel der Menschenseele sich bildet die ganze Gemeinschaft
und in der Gemeinschaft lebet der Einzelseele Kraft.
(Rudolf Steiner)

Dialogische Führung beim Hardenberg Institut: Die vier Dialogischen Prozesse

In einer Dialogischen Kultur gilt es deshalb, die entsprechenden Prozesse im einzelnen Menschen ebenso wie im Sozialen anzuregen und auszugestalten:

Anfragen und Rückmeldung

Sehr gerne helfen die Berater und Organisationsentwickler im Netzwerk von Ideen³ e.V. bei der Umwandlung und Neugestaltung von Organisationsformen Kontakt: Organisationsentwicklung@ideenhochdrei.org und unter ideenhochdrei.org/de/organisationsentwicklung/

 

Helmut@bildungsagenten.com

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