Kunst und reale Begegnungen sind die einzigen Ebenen, auf denen wirklicher Wandel geschieht und dafür sind Treffen, Konferenzen  und Seminare sehr wichtig. Wie gestalten wir Räume, Themen und Beziehungen, ob nur ein Tag oder Länger, wo unsere Träume geteilt und unsere Ideen umgesetzt werden können? Die Ideenwerkstatt Bildungsagenten mit Ideen³ hat dazu einige Konzepte entwickelt.

Ablaufplan zum Meta-Workshop „Kunst der Raumgestaltung“

Haltung und Vorbereitung als Seminarleiter*in

Für einen erfolgreichen und schönen Workshop, Seminar oder Projektarbeitstag gehören die drei „S“, um am Ende mit vollem herzen sagen zu können: „Das war toll!“:

Sinn (Inhalte und spannende Fragen, anwendbar und real)
Sein (Freundschaften, Entspannung, wohlfühlen, Gemeinschaft)
Spiel (Experimente, Lachen, ausprobieren, humor)

Fehlt eines dieser drei „S“, fühlen sich die Teilnehmenden meist unwohl, wenn auch unterbewusst. Es entsteht ein Gefühl wie an der Uni etc. wo der Mensch nicht artgerecht, ganzheitlich, angesprochen wird, sondern eines der drei „S“ überlastet ist (meist der Sinn, auch wenn ihn keiner versteht). Daher brauchst du als Gestaltende*r die drei „I“:

Intension  (Was will ich, Klarheit, Präsenz)
Instrumente (Stimmiger Umgang mit Methoden)
Improvisation (Im Moment sein, authentische Begegnungen)

Hinter der Intension verbirgt sich mein Ziel. Die Frage, warum mache ich das eigentlich. Dieses Intension muss mindestens einem selber sehr klar sein und auch den Teilnehmenden wird erst durch eine klare Intension der Sinn deutlich. Dafür muss man natürlich zunächst einmal sein Ziel definieren und sich drüber klar werden, wie man dieses erreichen könnte.

Bei den Instrumenten überlege ich mir, wie ich meine Intension verfolge und mein Ziel erreichen kann. Ich frage nach den verwendeten Methoden, nach der Didaktik und dem Ablauf, welche letztendlich die Stimmung der gesamten Veranstaltung bestimmt. Je nachdem, wie viel Freiraum, Open Space, und Möglichkeiten ich biete, dass sich Teilnehmende einbringen und verwiklichen können, fühlen sie sich nachher wohl oder gestresst. Bei einem guten Seminar geht es darum, dass alle wirklich sein können, wer sie sind.

Für die Durchführung (und für alles was schiefgeht) bedarf es Improvisation, Felxibilität und Kreativität der Seminarleiter*innen um auf das, was die Teilnehmenden mitbringen, individuell einzugehen. Kein Mensch passt in eine Schublade, und damit alle so sein können wie sie sind, lässt sich nicht erwarten, dass sie in einen fertigen Ablaufplan passen. Die Spielregeln liegen zwar im groben schon fest, doch das Spiel beginnt erst, wenn die Teilnehmer loslegen, und keine möchte ein vorgegebenes Spiel naschspielen. Spielen ist frei, Gestalten im Rahmen.

Sinn -> Intension        (Ziel, inhalt, Kopf)
Sein -> Instrumente (Räume, Athmosphäre, Herz)
Spiel -> Improvisation (Aktivität, Gemeinsames entdecken, Gemeinsachft gestalten, Hand)

Gastgeberrollen oder Art of Hosting

Es gibt eine ganze Philosophie zu Art of Hosting, der Kunst des Gastgebens, dass in diesem Reader näher beschrieben wird.

Für eine gut organisierte, hierarchiefreie Seminargestaltung eignet es sich, zwei täglich wechselnde Rollen zu vergeben

  1. Programm Moderator*in:
    Moderiert durch den ganzen Tag, den Tagesplan, achtet auf die Zeit und ist immer der Mittelpunkt des offiziellen Programms. (Dazu bekommt er einen täglich wechselnden Springer, der z.B. die Gruppe zusammen ruft, damit nicht der Moderator selbst rennen muss)
  2. Technische*r Leiter*in
    Ebenfalls täglich wechselnd kümmer er sich um alles nicht inhaltliche, Sauberkeit, Raumfragen, Spühldienst, Lost and Found… eben alles, was das inhaltliche nicht zu sehr stören sollte. (Er bekommt koordiniert die täglich wechselnden Spühl-, Putz- und Aufräumdienste)

Jeden Abend kann diese Rolle und der Tag mit der gesamten Gruppe reflektiert werden.

Drei Gestaltungsebenen

Für die Kunst des Gastgebens für ein Seminar sind drei Bereiche entscheidend für den Erfolg: Raum, Thema und die Gruppe (Menschen).

1. Raum und Umgebung

Oft ist der Raum, wo eine Veranstaltung stattfindet, besonders wenn sie über mehrere Tage geht, ausschlaggebend für die Kraft der gesamten Veranstaltung. Eine Jugendherberge, organisiert wie eine Maschine, hemmt Kreativität, Ideen und Träume, wenn man die Routine nicht durch kleine Zeichen der Menschlichkeit durchbricht. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht im Sommer unter freiem Himmel und in Zelten und sonst sind Bauernhöfe immer sehr geeignet. Eine schöne Atmosphäre entsteht oft in Selbstversorgerhäusern: http://www.gruppenunterkuenfte.de/selbstversorgerhaus.htm

Ein paar einfach Beispiele für ein ästhetisches Raumgefühl:

  • Eine zuverlässige Struktur im Tagesablauf, besonders für die Mahlzeiten
  • In der Raummitte mit einem Tuch, einer Kerze und ein paar Blumen eine kleine Oase schaffen. Ein Ort um Kraft und Gestaltungsimpulse zu tanken, jedes Mal, wenn man zur Kreismitte schaut.
  • Stuhlkreis machen, statt frontalem Sitzen und ca alle 2 Std. (nach einem WUP) auch die Plätze wechseln

2. Thema und Ziel

Das Thema ist meist das zentrale verbindende Element. Dennoch ist es interessant die verschiedenen Perspektiven und Interessen der Teilnehmenden kennen zu lernen.

  • Raum geben am Anfang, wo jeder teilen kann, warum er dabei ist.
  • Offen sein für inhaltliche Perspektiven und Erweiterungen „Das ist euer Seminar. Nutzt es gestaltet es, wie es euch interessiert“
  • Als Moderator bzw. Seminarleiter voll im Thema sein
  • Künstlerische Sinnesaktivierungen zum Thema machen (Plastizieren, malen, raus gehen, fühlen, erleben…)
  • Brücken bauen und immer wieder den Roten Faden zwischen verschiedenen Referenten und Inhalten darstellen.

3. Gemeinschaft: Ich – Du – Gruppe

Eine gemeinsame Wirkggemeinschaft zu finden ist ein stiller Wunsch vieler Seminarteilnehmenden.

  • Nimmer dir als Leiter auch Zeit, die Athmosphäre zu erleben. Zeit um auch TN individuell zu Begegnen.
  • Raum für jeden einzelnen.
  • Langsam sich einander annähren. Nicht gleich am Anfang den intimsten WUP.

Die Themenzentrierte Interaktion (TZI)

Nach Ruth Cohn

Die TZI ist eine konzeptionelle Grundhaltung zur Arbeit mit Gruppen und hilft dabei die Arbeit fokussiert auf ein Thema auszurichten. Das Konzept der themenzentrierten Interaktion nimmt das vernetzte System von vier Faktoren in den Blick:

  • das einzelne Individuum (ICH);
  • die Gruppe (WIR);
  • das gemeinsame Thema (ES)
  • und alle Aspekte (soziologisch, kulturell etc.) die auf ein System von außen einwirken (GLOBE).

In einer Gruppe in der zusammengearbeitet und gelernt wird muss ein Bewusstsein dafür da sein, dass jede(r) etwas zum Thema und zur Gruppendynamik beiträgt. Der Kontakt untereinander in der Gruppe ist wichtig: Wo Kontakt gelingt können Energien ausgetauscht werden (vgl. Cohn/Terfurth 2007). Hierfür müssen Gruppenprozesse gefördert werden. Gemeinsame Lernprozesse verlaufen nicht gradlinig und schließen Fehler mit ein. Störungen, die während des Prozesses auftreten, nehmen sich Vorrang und müssen von allen Beteiligten ernst genommen werden. „Wer an Lösungen interessiert ist, muss lernen, sich in die Tiefe zu begeben, ein Problem auszuloten, hartnäckig dran zu bleiben“ (Cohn/ Terfurth: 2007). Je nach Situation oder Problem kann ein Faktor besonders betont werden. Wichtig dabei zu beachten ist, dass die anderen Faktoren somit in den Hintergrund treten. Durch die Arbeit an dem Problem/ der Störung wird das Gleichgewicht im System wiederhergestellt.

Mehr dazu hier im PDF.

TZI bezogen auf die Arbeit in Seminaren

TZI kann bezogen auf die Seminararbeit eine Grundhaltung für die Konzeption von Projekten sein. Die einzelnen Faktoren des Systems sind in jedem Projekt individuell. Besonders wichtig für die Arbeit des Starkmachers und der Ideenwerkstatt ist die Auseinandersetzung mit dem Globe. Die Projekte finden in unterschiedlichen Gesellschaftsformen und Kulturen statt. Die anderen drei Faktoren des Systems findet man innerhalb des Globes wieder, welcher diese bestimmt. Bei der Planung und Durchführung eines Projektes muss ein ständiges Bewusstsein dafür da sein, dass die Individuen sowie die Gruppe von außen beeinflusst wird und sich auch gegenseitig beeinflussen. Die Beobachtung und Anpassung an die Zielgruppe und deren Globe ist eine der Kernaufgaben in der Arbeit des Starkmachers. Beachtet man die Hintergründe und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge der TeilnehmerInnen findet die Arbeit auf einer professionellen Ebene statt.

Die methodische Umsetzung von TZI in Lerngruppen:

Terfurths Beschreibungen des Lernraums nach TZI betonen, dass die Raumgestaltung und die Aufbereitung des Lernortes zu der erfolgreichen Auseinandersetzung mit dem Thema beitragen. Zu dieser Aufbereitung gehören Rückzugsorte für die Einzelnen und Ecken zum Austausch für die ganze Gruppe, sowie die Bereitstellung von vielfältigem Material. Dadurch wird eigenständiges und auch soziales Arbeiten ermöglicht. Für die Gestaltung der Lernräume sollte die Gruppe miteinbezogen werden, um gemeinsam mit den AnleiterInnen den Rahmen für das zu bearbeitende Thema zu setzen (ebd.). In einem Lernraum nach TZI entstehen neue Ideen, lebendige Interaktionen werden möglich und die einzelnen Faktoren des Systems werden gleichermaßen beachtet.

TZI in Bezug auf „Grünblick“-Workcamps:

Mehr zu den Workcamps hier.

  • ICH: die/ der einzelne TeilnehmerIn
  • WIR: die Gruppe der TeilnehmerInnen ( oder inklusive der Lernortleitungen und MitarbeiterInnen des Projektes  Abhängig von Arbeitssituation)
  • ES: Das Thema von „Grünblick“ ist die erste Berufsorientierung der Zielgruppe mit dem Schwerpunkt der Nachhaltigkeit von Berufen.
  • GLOBE: der jeweilige Lernort aber auch die jeweiligen Herkünfte und Hintergründe der TeilnehmerInnen jede(r) bringt sein System mit (Schulen, Familien, Wohnorte, Bundesland etc.)

Für die Arbeit mit der Gruppe müssen durch gemeinsame Interaktionen, die TeilnehmerInnen erstmal zu einer Gruppe werden. Die Beachtung der Bedürfnisse und Individualitäten spielt hierbei eine große Rolle. Ein gemeinsames Thema fördert die Gruppenbildung, reicht aber nicht aus, weshalb im Projekt genügend Elemente zur Findung der Gruppe eingeplant sein müssen. Wenn nicht genügend Raum für die Gruppe eingeplant ist, kann das was als Gruppeninteraktion passiert zu einer Störung werden (Störungen nehmen sich nach TZI Vorrang). Kommunikation und Feedback sind nicht nur für die Gruppe, sondern auch für die Verantwortlichen wichtig, um mit der Projektarbeit zu wachsen und unsere Arbeit ständig zu optimieren.

Leitung und Autorität

In Gruppen und auf Seminaren stellt sich immer wieder die Frage, wer eigentlich Leiter ist und was er dadurch darf, bzw. tun muss. Soll ein Seminar eine Hierarchische Struktur haben? Viel eher ist Leiten als eine Aufgabe anzusehen. Der Leiter steht nicht höher als andere, die Gemeinschaft entscheidet demokratisch und der Leiter führt die Projekte dementsprechend durch. In der Themenzentrierten Interaktion ist das die Teilnehmende leitung und dazu folgendes Video:
Itay Talgam: Führen Sie wie die großen Dirigenten.

Materialien:

Für dezentrale Team ist oft die Verwendung von Online-Datein einfacher. Daher gibt es eine Vorlage für den Sminarablauf auch auf Google-drive. goo.gl/9ou2W5. Einfach den Link öffnen und dann unter Datei > Kopie erstellen…  die Vorlage kopieren.

Ähnliche Methoden

  • Die Kunst der Workshopgestaltung (Geht mehr ins Detail einer Einheit)

Musik

Musik, besonders selbst gemachte, spielt auf Seminaren eine sehr große Rolle: http://bildung.vonmorgen.org/lieder

Spiel und Bewegung

Zur Auflockerung und um neue Ideen zu bekommen sind kleine Spiele wunderbar geeignet. Hier ein paar Ideen: bildungsagenten.com/spiele-und-energizer

Seminarküche

Auf Seminaren selber zu kochen bringt einiges an Entschleunigung und eimische Gefühle: http://bildung.vonmorgen.org/seminarkueche/

Open-Space: bildungsagenten.com/open-space-methode

World-Caffe: bildungsagenten.com/world-cafe

Fishbowl-Diskussion: bildungsagenten.com/fishbowl

Speed-Networking: bildungsagenten.com/speednetworking

Stimmungslinien und Meinungsbarometer: bildungsagenten.com/stimmungslinie

Tag der Ideen: bildungsagenten.com/tag-der-ideen

Oasen-Spiel (mehrer Tage): bildungsagenten.com/oasis-games

Quellen und weiterführende Links:

Ideen³ – Räume für Entwicklung: Ideen³ begleitet Seminare und Veranstaltungen und gestaltet Räume für Entwicklung von Gruppenprozessen, Ideen und Projekten. Hier einige interessante Methoden: http://www.ideenhochdrei.org/de/verein/kennenlernen/methoden/

Dragon Dreaming, eine ganzheitliche Methode für die Verwirklichung von kreativen, gemeinschaftlichen und nachhaltigen Projekten. http://dragondreaming.org