In einer globalisierten Welt ist die menschliche Begegnung entscheidend, damit nicht nur Profit und Marktmacht über Krieg und Frieden auf unserem Planeten entscheiden. Fremdsprachen, zu wissen was man will und sicheres Auftreten sind heute wichtige Eigenschaften für junge Menschen. Aber rechtfertigt das Fernflüge, Abschiedsschmerzen und warum können das fast nur Jugendliche reicher Länder machen?
Egotrip ins Elend?
Sind Freiwilligendienste immer gut? Osteuropa und Skandinavien ist dabei noch mit dem Zug zu erreichen, aber sind die Flüge vertretbar? Was ist mit dem Vorwurf “Egotrip ins Elend” und der privilegierten Haltung, “einfach zum Spaß” sich mal ein armes Land, oder eine staatlich finanzierte Reise zu leisten?
Horizonte erweitern und Wirklichkeit erkunden
Dem gegenüber stehen die lebendigen und herzlichen Erfahrungen, die Chancen, in ein sinnvolls soziales oder ökologisches Projekt involviert zu sein und die Möglichkeit, persönlich zu wachsen. Dem Wunsch nach Freiheit und weltweiten Wegen einfach mal Raum zu geben, ungewohnte Freundschaften zu schließen und die eigene Toleranzschewelle und Vorurteile zu überwinden. Ist es nicht wichtig für jungen Menschen, gerade aus schein-perfekten Industrieländern, einfach mal aus zu brechen und die andere Seite zu sehen? Andere Perspektiven kennen zu lernen? Zu erfahren, was Wirklichkeit ist nach 12 Jahren Schultheorie? Ist es vielleicht sogar die Pflicht, bevor man für weitere 5 Jahre an die Theorie der Uni oder die Routine der Ausbildung geht und eine Welt mitgestaltet, die man nie gesehen hat?
Tipps ehemaliger Freiwilliger
Sicherlich ist es am Ende ein Stück weit eine persönliche Entscheidung aber es gibt ein paar Dinge, die sind uns sehr wichtig:
- Nur 1-Jährige Freiwilligendienste machen Sinn: Es mag zwar verlockend klingen, in 3 Monaten die ganze Welt zu sehen, aber außer Bahnhöfe, Touristenorte und Hostelfreundschaften hat man damit nicht viel gewonnen. Der Charme eines Freiwilligendienstes besteht darin, das Touristenleben zu verlassen und echte Begegnungen zu haben. In Deutschland und den europäischen Nachbarländern kann man sicherlich in 6 Monaten schon tief in Projekte einsteigen. In Übersee brauchst du diese Zeit um dich ein zu finden, die Sprache zu lernen und die Gewohnheiten zu verstehen, bevor du eine verlässliche Unterstützung bist und damit auch echte Freunde findest. Diese Zeit für ein freies Jahr nach der Schule hat man nie wieder.
- Es kommt auf Einsatzstelle an: Beschäftige dich vorher etwas mit dem Konzept der Einrichtung in die du reisen willst und schaue, ob da ein inhaltlicher Impuls/ Konzept/ Leitbild vorhanden ist. Im sozialen Bereich (Menschen mit Behinderung, Altersheime, Schulen, Kindergärten, Straßenkinderprojekte) sind Freiwilligendienste (über ein Jahr) meist sinnvoll, wenn du als Freiwilliger Zeit für menschliche Begegnung mitbringst und ehrliches Interesse an den Menschen. Fast in allen Ländern der Welt wird im sozialen Bereich gespart, und das geht oft auf Kosten der persönlichen Begegnung. Hier kannst du einen wertvollen, wenn auch unsichtbaren Beitrag leisten, einfach mit deiner Zeit und Offenheit. Fordere auf jeden Fall den Kontakt zu ehemaligen Freiwilligen und tausche dich mit denen aus.
- Es kommt auf die Entsendeorganisation an: Die Trägerorganisation deines Freiwilligendienstes beraten dich bei der Bewerbung und begleiten dich vor, während und im Optimalfall nach auch dem Dienst in deinem Engagement. Bei guten Entsendeorganisationen werden die ehemaligen Freiwilligen in die Seminararbeit mit einbezogen und können mitgestalten, sodass du immer aktuelle Erfahrungen findest. Weiter unten stellen wir unsere Empfehlungen vor.
Unter freiwillig-freiwillig.de findest du einen Zusammenschluss von 40 konfessionsfreien Trägern internationaler 12 monatiger Freiwilligendienste!
Fazit: Es gibt nichts gutes, außer man tut es und informiert sich davor…
Wir haben einen Freiwilligendienst gemacht, haben Kriesen durchlebt und uns hin und wieder selbst hinterfragt und teilweise die Einsatzstelle gewechselt. Gerade der Abschied am Ende des Jahres und die Rückkehr nach Deutschland hat manch eine*n von uns hart getroffen. Aber kaum eine*r von uns möchte diese Erfahrung verpasst haben.
Ein entwicklungspolitisches Verständnis in der Gesellschaft ist wichtig für eine gerechte globale Entwicklung und je mehr Menschen sich über Kulturkreise hinweg begegnen und Freundschaften schließen, um so schwerer ist es für Populisten, einfache, nationalistische Botschaften zu verbreiten.
Empfohlene Entsendeorganisationen
- Freunde der Erziehungskunst R.S. e.V.: Als eine der größten Träger für Freiwilligendienste in Deutschland und weltweit sind sie überaschend persönlich. Die Seminare werden größtenteils von ehemaligen Freiwilligen gestaltet, machen Spaß und bereiten gut auf den Dienst vor. Es gibt eine riesen Auswahl an Einsatzstellen und durch das Waldorf-Konzept steht die persönliche Beziehung zwischen den Menschen meist im Mittelpunkt. Auch das ist nicht perfekt und viele Einsatzstellen in ärmeren Ländern haben finanzielle Herausforderungen, aber die Betreuung ist wirklich gut und offen. freunde-waldorf.de/freiwilligendienste/
- …www.weltweite-initiative.de
- … www.icja.de
- … www.ijgd.de
- … www.afs.de
- …. www.via-ev.org
- …. www.internationaler-bund.de
- Für kulturelle Freiwiligendienste in Gedenkstätten empfehlen wir Freiwilligendienste Kultur und Bildung https://freiwilligendienste-kultur-bildung.de/unsere-freiwilligendienste/
- … Weitere Entsendeorganisationen werden kommen.
- Selbstorganisierte Freiwilligendienste ohne Entsendeorganisation: Das ist auch ein Weg den einige von uns gegangen sind, meist auch recht zufrieden. Es gibt nur ein paar Fragen, die du dir überlegen solltest:
- Die Einsatzstelle, in die du gehst, kann vorher kein Auswahlgespräch führen, kann dich also schlecht einschätzen und daher im Zweifel nicht so sinnvoll einbinden
- Du bist das ganze Jahr auf dich alleine gestellt. Das schöne und inspirierende ist oft auch der Austausch mit Mitfreiwillige im gleichen Land, mit denen die Erfahrungen reflektiert und in persönlichen Kriesen gegenseitig unterstützt werden kann.
- Du bekommst weder Kindergeld noch Krankenversicherung und auch keine staatliche Flugkostenunterstützung, bist also insgesamt am Ende teurer als mit Entsendorganisation und einem möglichen Spenderkreis von 2000 – 4000 €
Schau dir auch die Bewertungen auf meinfreiwilligendienst.de an!
Jahr mit Sinn
Eine Reihe weitere Möglichkeiten für ein #JahrmitSinn sind in den letzten Jahren rund um die Ideenwerkstatt herum entstanden, die wir auf dieser Karte zeigen wollen:
Ich stimme dem Beitrag in vielen Bereichen zu und möchte mich für Freiwilligendienste aussprechen. Die Erfahrungen haben mein Leben so stark geprägt dass ich vor allem deswegen mich mit Themen zu Rassismus, Privilegien, Wirtschaftswachstum … auseinandergesetzt habe. Ohne diese Erfahrung, da bin ich mir relativ sicher wäre ich in eine ganz andere Berufswelt reingerutscht, in der ich wöchentlich unhinterfragt um die Welt gereist (geflogen) wäre um Geld zu verdienen. Der genaue Effekt/Kompetenzerwerb den wir durch ein Freiwilligendienst erlangen, kann laut dem Technologiedefizit nicht gemessen werden, wir können also nur auf subjektiv, qualitative Daten zurückgreifen. Ob nun die individuelle Entwicklung bzw. der transformatorische Bildungsprozess oder der schlechte ökologische Fussabdruck bzw. die fehlende Auseinandersetzung mit rassismuskritischen Ansätzen überwiegen bleibt unklar. Sowie die Intensität der Erfahrung und Entwicklung. Für mich kann ich aber behaupten, wenn die Entsenderorganisation “gut” ist, dann steht eine tiefgreifenden, Perspektiven verändernden Erfahrung nichts mehr im Wege und die so wichtige Heldenreise kann beginnen.
Ich denke das Freiwilligendienste, wie sie aktuell stattfinden, mehr schaden als nutzen. Ich beziehe mich im Folgenden v.a. auf Nord-Süd Freiwilligendienste, über Süd-Nord Freiwilligendienste zu urteilen möchte ich Süd-Nord Freiwilligen bitten, das steht mir nicht zu.
Zunächst findet keine ausreichende Sensibilisierung in Bezug auf Rassismus, Macht, weiße Privilegien, (Re)produktion von kolonialen Strukturen statt. Dafür bräuchte es lange Seminare von qualifizierten Rassismus-Trainer*innen (und nicht von weißen Personen, die sich mal ein bisschen damit beschäftigt haben).
Als nächstes müsste der Freiwilligendienst umweltverträglich gestaltet werden, also: keine Flugreisen! Flugreisen sind aktuell klimatechnisch nicht zu verantwworten, auch wenn “ich ja ganz lange da bin”!
Drittens müsste eine Kooperation auf Augenhöhe geschehen und (finanzielle) Abhängigkeiten abgebaut werden. Dafür wäre ein erster Schritt, dass mind. so viele Süd-Nord wie Nord-Süd Plätze geschaffen werden und die Entscheidungen dürften nicht vom DEUTSCHEN BMZ getroffen werden, sondern wären von ALLEN auszuhandeln.